Die Ingenieure von morgen

veröffentlicht in der "TUNING" Ausgabe 5/2015

Wir waren zu Gast beim Karlsruher Formula Student-Team „KA-RaceIng“ und haben die Studenten einen Tag lang bei Ihrer Arbeit begleitet. Ein Blick hinter die Kulissen eines ebenso spannenden wie professionellen Hochschulprojektes.

 

Es ist 13 Uhr am Mittag. Die Sonne hat mit rund 30 Grad ihren Höhepunkt erreicht. Dennoch bleibt am Campus Ost des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) keine Zeit für eine Abkühlung. In zwei Garagen mit der Aufschrift „KA-RaceIng“ geht es hektisch zu. Rund 20 junge Leute stehen dicht gedrängt um zwei Fahrzeuge, die aussehen wie Formel 1-Boliden. Direkt neben einem der beiden Fahrzeuge steht jemand, der seinen Laptop an das eine Fahrzeug anschließt. Gespannt betrachten mehrere Leute den Bildschirm des Notebooks. Hinter dem einen Fahrzeug kniet ein junger Mann, der am Motor scheinbar letzte Veränderungen vornimmt. „So dürfte es nun besser sein!“, verständigt er sich mit seinem Kollegen am Computer. Dominik Flößer hat soeben die Drosselklappe kalibriert. Er ist einer von rund 80 Studenten der Hochschulgruppe „KA-RaceIng“ des KIT, die Jahr für Jahr eigenverantwortlich zwei einzigartige Rennwagen entwickeln, fertigen und testen, um bei internationalen Wettbewerben der „Formula Student“ anzutreten. Dominik studiert Maschinenbau, Vertiefungsrichtung Fahrzeugtechnik mit Schwerpunkt Verbrennungsmotoren und Energietechnik im 3. Mastersemester. Seit August 2014 ist er Teil des Teams, das in verschiedene Subteams unterteilt ist. So hat jeder Einzelne eine bestimmte Aufgabe rund um das Fahrzeug. Der 24-Jährige beispielsweise arbeitet im Team Motor/Prüfstand des benzingetriebenen KIT15c:„Ich bin hauptsächlich am Motorenprüfstand tätig. Dazu gehört der Motorenaufbau an sich, der Prüfstandsaufbau und die Wartung, die Applikation des Steuergerätes am Prüfstand und später auch am fertigen Fahrzeug.“ Die Leidenschaft für Autos und Motorräder hat ihn dazu gebracht genau jenen Studiengang zu studieren: „Ich habe mich schon als kleines Kind für alle möglichen Fahrzeuge und der dazugehörigen Technik interessiert. Dann war ich nach dem Abitur am Studieninformationstag der KIT, wo mir das Maschinenbau-Studium vorgestellt wurde. Schnell wusste ich, dass ich genau das studieren möchte! Mit Maschinenbau kann man so einiges machen, meine Zukunft sehe ich aber – wie viele hier – in der Automobilindustrie.“

 

Rennsport auf höchstem Niveau

 

„Ka-RaceIng“ begann 2006 als ein Projekt von rund 15 Studierenden, die technisches Fachwissen und gemeinsames Interesse am Motorsport dafür nutzen wollten, einen Rennwagen für die Formula Student zu bauen. Seitdem ist das Projekt eine anerkannte Hochschulgruppe und seit 2007 sogar als gemeinnütziger Verein eingetragen. Bereits 2010 entwickelte das Team als eines der Ersten weltweit , neben dem Verbrenner-Fahrzeug, zusätzlich noch ein Elektrofahrzeug. Bei beiden Boliden handelt es sich um komplette Eigenentwicklungen. Der diesjährige Verbrenner, KIT15c genannt, schöpft aus einem Zweizylinder-Reihenmotor samt Turbo von einem Fiat 500 68 kW, umgerechnet rund 92 PS – und das auf ein Gewicht von nur rund 200 Kilogramm. Die elektrisch angetriebene Variante, KIT15e, besitzt vier Elektromotoren an jedem Rad, deren Leistung insgesamt per Reglement auf 80 kW begrenzt ist. „Ohnehin geht es hinsichtlich der Rennen nicht um die Endgeschwindigkeit, sondern um die Beschleunigung“, erklärt Dominik. Das Besondere bei der Entwicklung der beiden Fahrzeuge ist die komplette Eigenentwicklung in Zusammenarbeit mit Industriepartnern wie AMG oder Tesla. Durch ein ultraleichtes Kohlefaser-Chassis, welches ebenfalls von den Studenten selbst konstruiert und gebaut wird,  erhalten die Rennwagen ihr geringes Gewicht. Bei der Konzeptentwicklung achten die Studierenden besonders auf die Berücksichtigung neuer Ideen oder Innovativen Lösungen, um die Performance jedes Jahr aufs Neue steigern zu können. Ein Beispiel beim Elektromodell wäre das sogenannte Torque-Vectoring-System, das es erlaubt, die Leistung der jeweiligen Elektromotoren an jedem Rad der Fahrweise und dem Untergrund anzupassen. Dadurch sind höhere Kurvengeschwindigkeiten als beim Verbrenner-Modell möglich. „Es wird Entwicklung und Rennsport auf höchstem Niveau betrieben.  Die Formula Student steht der Formel 1 in fast nichts nach“, erklärt uns Dominik. Finanziert wird die Arbeit des Teams übrigens ausschließlich durch Sponsoring und Spenden. Insbesondere die anfallenden Kosten für Werkzeuge und Material könnten ohne die Hilfe von Sponsoren nicht gedeckt werden. So helfen regionale, aber auch international bekannte Firmen wie AMG beim Motorenbau des Verbrenners oder Tesla bei der Entwicklung des Elektromodells.

 

 

International erfolgreich

 

Ziel der Hochschulgruppe „KA RaceIng“ ist es, angehenden Ingenieuren es zu ermöglichen, das theoretische Wissen schon während des Studiums in ein Team einzubringen und praktisch umsetzen zu können. Im Laufe dieser Arbeit werden nicht nur im Studium erlernte Fähigkeiten angewandt und vertieft, sondern auch wichtige Soft-Skills wie u. a. Teamgeist vermittelt. Ein Konzept, das aufgeht: Viele Podiumsplätze wie etwa Platz zwei in der Gesamtwertung der Formula Student in Spanien, Platz drei in der Weltrangliste oder die erstmalige Teilnahme in China sind nur einige der Erfolge, die bisher auf das Konto der Studenten gehen. Somit dürfen sich die Karlsruher zu den internationalen Topteams zählen. Auch in diesem Jahr wird es wieder spannend, denn neben dem wichtigsten Wettbewerb der Saison, dem Heimrennen auf dem Hockenheimring Ende Juli, werden sie sich auch international in Barcelona (Spanien) und Györ (Ungarn) mit anderen Studenten-Teams der Welt messen. Dominik und seine Kollegen haben dabei immer ein Ziel vor Augen: „Jeder bei uns ist motorsportbegeistert, was alle hier zu Höchstleistungen antreibt. Wir möchten bei allen Events erfolgreich sein und im besten Falle natürlich gewinnen!“ Das erste Rennen der Saison fand bereits vom 9. bis 12. Juli in Silverstone statt – leider lagen uns bis Redaktionsschluss noch keine Ergebnisse vor. Unter www.formulastudent.com können die Ergebnisse eingesehen werden.